– Ein unterschätzter Zusammenhang: Magen-pH, Pepsin und Symptome wie Grasfressen, Erbrechen & Co.
Viele Hundehalter*innen kennen das: Der Hund frisst Gras, schmatzt nachts, erbricht gelben Schleim oder zeigt Unruhe im Bauchbereich.
Schnell ist dann von „Übersäuerung“ die Rede – doch was wirklich dahinter steckt, ist häufig das Gegenteil: Eine unzureichende Magensäureproduktion.
Magensäure ist wichtig – nicht gefährlich ‼
Hunde sind Carni-Omnivoren, also hauptsächlich Fleischfresser. Damit sie tierisches Eiweiß gut verdauen können, benötigen sie:
1. Einen sehr niedrigen pH-Wert im Magen (ca. 1–2 im nüchternen Zustand)
2. Das Enzym Pepsin, das Eiweiß spaltet – es wird nur bei einem pH < 3 aktiviert
Wird dieser saure Magen-pH nicht erreicht, bleibt das Futter zu lange im Magen, gärt, steigt auf – Symptome wie saures Aufstoßen, Schmatzen, Erbrechen oder Grasfressen sind die Folge.
Viele dieser Hunde werden fälschlicherweise als „übersäuert“ diagnostiziert. Tatsächlich liegt oft eine unzureichend saure Magensäure vor. Und das hat gute Gründe:
Warum frisst der Hund Gras?
• Um Übelkeit zu lindern, wenn Futter im Magen „liegt“ und nicht weiterverdaut wird
• Weil die Magenentleerung blockiert ist – meist durch zu wenig Säure (pH > 3), wodurch Pepsin inaktiv bleibt
• Zur Anregung der Magensäureproduktion, durch die mechanische Reizung der Magenschleimhaut
• Instinktiv, um etwas „rauszubekommen“, das der Körper als unverdaulich einstuft
Gras hat eine reizende Wirkung auf die Magenschleimhaut, dadurch wird u. a. Gastrin ausgeschüttet – ein Hormon, das die Magensäureproduktion ankurbelt.
Typische Symptome bei zu wenig Magensäure / zu hohem pH-Wert:
• Grasfressen (instinktives Verhalten, um die Magensäureproduktion anzuregen oder den Magen zu entleeren, wenn etwas „nicht passt“.)
• Gelbes Erbrechen auf nüchternen Magen
• Nächtliches Schmatzen oder Unruhe
• Saures Aufstoßen
• Verdauungsprobleme (weil Proteine nicht richtig aufgeschlossen werden)
• Hunger auf Erde oder Kot
• Juckreiz durch unverdaute Futtermoleküle im Dünndarm
Warum tritt das Problem so häufig auf?
Gekochte Nahrung und Dosenfutter, auch wenn hochwertig wie z. B. Anifit, Reico, Fresco, Fidelis usw. enthalten zwar viel Fleisch, sind aber bereits thermisch verarbeitet.
Dadurch:
• fehlt der Reiz für starke Magensäureproduktion
• wird der pH-Wert im Magen weniger sauer
• wird Pepsin nicht (ausreichend) aktiviert
Trockenfutter verschärft das Problem noch mehr: Es enthält oft viele Kohlenhydrate, hat einen alkalischen Einfluss und benötigt selbst kaum Magensäure zur Aufspaltung.
Was kannst du tun?
- komplett auf Biologisch, artgerechte RohFütterung (BARF) umstellen
- Gegartes Futter o. gutes Nassfutter mit rohen Komponenten ergänzen z. B. 1–2 TL rohes Rindermuskelfleisch oder grüner Pansen vor der Mahlzeit
- Verdauungsvorbereitung aufbauen z. B. durch Bitterstoffe oder gezielte Magensäfte (bei Bedarf mit THP abklären)
- Magenschonende Fütterung beachten
- feste Fütterungszeiten, keine ständigen Snacks
- Darmgesundheit berücksichtigen, aber nicht isoliert betrachten z. B. nicht gleich Zeolith und Probiotika bei Symptomen, sondern ganzheitlich analysieren
Bitte KEINE sogenannten „Funktions-Snacks/Leckerlis“ z.B. Grasfresser-Stopp o.ä! Warum?
Die enthaltenen Wirkstoffe sind meist viel zu gering dosiert, damit sie irgendeinen Effekt hätten. Es ist wie wenn man sich sagt: „Ich nehme ein Stück Schokokuchen gegen meine Verdauungsprobleme – weil 0,3 % Flohsamen drin sind.“
Die meisten Funktionssnacks sind mehr Marketing-Gag als sinnvolle Ergänzung.
Was wirklich hilft:
• Hochwertiges, artgerechtes Futter
• Gezielte Nahrungsergänzung, wenn nötig
• Und ein bisschen Wissen darüber, was im Körper deines Tieres eigentlich passiert.
Fazit:
Grasfressen ist kein Zeichen dafür, dass dein Hund „zu viel“ Säure hat – im Gegenteil: Er zeigt dir damit, dass im Magen etwas nicht stimmt, meist weil nicht genug Säure vorhanden ist, um die Verdauung ordentlich zu starten.
Und wenn dann noch Trockenfutter, gegartes Futter oder lange Futterpausen dazukommen, wird das Problem verstärkt.
Daher gilt: Nicht weniger, sondern gezielt tiergerecht füttern, um den natürlichen Säurehaushalt zu unterstützen – um Symptome wie Grasfressen, Erbrechen & Co. langfristig zu vermeiden.
- Quellen & Studien:
- 1. Feldman, E.C. et al. (2004): Canine and Feline Gastroenterology – beschreibt pH-Wert-abhängige Aktivierung von Pepsin
- 2. Zentek, J. (2009): Ernährung des Hundes – bestätigt Unterschiede in der Verdauungsphysiologie bei roh vs. thermisch verarbeiteter Nahrung
- 3. Pérez-Camargo G. (2004): Nutrient digestibility in dogs and cats – erklärt Zusammenhang von Futterart, Magen-pH und Verdauungseffizienz